Aus dem Schrank auf die Vitrine - Lesben schreiben ihre eigene Kirchengeschichte
Veranstaltung im Zentrum Regenbogen auf dem
34. DEKT in Hamburg 2013
Was findest Du an deiner lesbischen Biographie so wichtig, dass es bewahrt werden sollte?
- In meinem Kirchenkreis habe alle Gemeinden – bis auf eine – den Segnungen für lesbische und schwule Paare zugestimmt. Aber es gab keinen Pastor/keine Pastorin, die eine Segnung durchgeführt hätte. In der Kirchenzeitung wurden Leserbriefe veröffentlicht, die Lesben und Schwule beschimpfen und gegen Segnungen sind.
Im Nachbarkirchenkreis gibt es dagegen eine lesbische Superintendentin, die öffentlich mit ihrer Partnerin begrüßt wurde. Das macht mir Mut.
- Ich wohne in einer Kleinstadt mit vielen Neonazis (in den alten Bundesländern!). ich habe mich Freundinnen gegenüber geoutet, die fanden das toll. Mit meiner Freundin bin ich Hand in hand durch die Straßen gegangen, das finde ich selbstverständlich. Schließlich haben auch die Neonazis von mir erfahren. Einmal stranden sie vor einem Geschäft du sagten "solche ekligen Leute kommen hier nicht rein". Auch der Pastor in meiner Gemeinde hat von meinem Lesbischsein erfahren. Er sprach mich an und sagte: "es ist doch völlig in Ordnung", das hat mich so unglaublich erleichtert und glücklich gemacht.
Ich erlebe auch, dass junge Leute gegen mich sind. In der Stadt leben viele schwule und lesbische Paare versteckt. Sie verstecken sich, weil sie Angst vor den Neonazis haben. Auch das sind fast alles junge Leute.
- Ich bin verheiratet. Meinem Mann gegenüber habe ich mich geoutet, meinem Sohn Hetera aussehe, da nimmt niemand an, dass ich lesbisch bin. Auch in meinem Beruf als Religionspädagogin gibt es keine Probleme. Das wird aber auch daran liegen, dass ich als Lesbe unsichtbar bin.
- Ich habe erst im Studium mein coning out gehabt. Studiert habe ich in Holland und dort habe ich so viele Lesben und Schwule kennen gelernt, dass diese Lebensform erst richtig in mein Bewusstsein gerückt ist. Meine Mutter akzeptiert mein Leben bis heute nicht und hat den Kontakt abgebrochen. Aber sonst bin ich in der Familie und der Freundschaft auf große Zustimmung gestoßen. Es ergab sich sogar mehrfach, dass mein Gegenüber sagte: "Ja, das ist toll, ich auch!" das waren schöne Überraschungen. Ich bin immer noch in Holland und die Offenheit und Selbstverständlichkeit, die ich dort erlebe, machen mir Mut.
Deine schönste / schlimmste lesbische Erfahrung
- Da, wo ich offen bin, begegnen mir viele Lesben und Schwule. Meine Mutter hat mich von Anfang an sehr unterstützt. Sie wünscht sich, das ich mich verpartnere, weil sie das groß feiern will.
- Eine Freundin von mir hat sich verpartnert und in ihrer bayrischen Kleinstadt eine Segnungsfeier gehabt. Mit einer lesbischen Pastorin. Das ganze Dorf war da und hat mitgefeiert. Alle waren begeistert.
- In meinem Ort gibt es eine sehr strenge Pfingstgemeinde. Die Tochter des Pfarrers ging mit mir in eine Klasse. Ich hatte mein coming out und sie wusste davon. Ich selbst war in der evangelischen Jugend aktiv und sehr gläubig. Eines Tages kam sie zu mir und sagte, sie hätte lange mit ihrem Vater über mich gesprochen. Sie machen sich Sorgen. Ich soll doch in die Pfingstgemeinde kommen, dort könnten sie mich retten. So wie ich bin würde Gott mich doch hassen. Dieser Satz hat gesessen. Ich weiß immer noch nicht, was ich glauben soll.
- Ich habe lange überlegt, wie es meinen erwachsenen Kindern sagen soll. Meine Tochter war ganz ruhig und sagte lapidar: "das ist o.k.!"
- Bei einer Freundin habe ich erlebt, wie ein Segnungsgottesdienst eine Versöhnung von Mutter und Tochter bewirkt hat. Das war beeindruckend.
- Ich weiß, seit ich 8 Jahre alt war, dass ich lesbisch bin. Diese frühe Erkenntnis gibt mir Sicherheit und Selbstbewusstsein. Ich bin damit groß geworden.
Was hält dich in der Amtskirche?
- Ich will die Kirche von innen verändern
- Die Kirche braucht kritische Menschen in ihren Reihen
- Meine Gruppe in der Gemeinde ist meine Familie. Es ist wie ein sicheres Netz, das mich trägt. Ich kann jederzeit hingehen, es ist immer jemand da.
- Der schwule Pfarrer in meiner Gemeinde wohnt mit seinem Freund im Pfarrhaus. Ich bin froh, dass das möglich ist.
- Ich setze auf den Wutfaktor. Die Kirche schafft Einzelfälle und genehmigt alles, solange es nicht öffentlich wird. Das ist eine Doppelmoral, die mich wütend macht. Das will ich nicht hinnehmen.
- In meiner Gemeinde oute ich mich nicht. Ich kann auf diese Weise viel freier reden und wirken. Ich merke aber auch, dass das zu einem Doppelleben führt, das krank machen kann.
- In meiner jungen Gemeinde erlebe ich viel Offenheit und Selbstverständlichkeit. Das ist toll und lässt mich bei ihr zu Hause sein.
Was von deinem Glauben möchtest Du anderen weitergeben?
- Für mich ist Gott auch weiblich. Deshalb benenne ich Gott auch weiblich und möchte, dass die Pfarrer die männlich geprägte Sprache für Gott endlich aufgeben. Mich nervt das immer mehr. Die männlichen Gottesbilder und Bezeichnungen machen mir immer mehr Probleme.
- Das "Vater unser" ist mir schwierig. Die Anrede "Vater" kann ich für Gott nicht benutzen. Deshalb habe ich es lange nicht mehr gebetet.
- Gottes Reich beginnt für mich auf der Erde. In Gottes Reich herrscht Gerechtigkeit. Das hat auch mit mir als Lesbe etwas zu tun. Ich möchte Gottes Reich als Lesbe hier auf der Erde erleben!
Anmerkung:
Wir waren intensiv im Gespräch und hätten noch lange weiter reden können. leider war die Zeit vorbei und der Kirchentag bot die nächsten spannenden Veranstaltungen.
Wir danken allen Frauen für das Gespräch. Alle waren damit einverstanden, dass wir ihre Beiträge anonymisiert mitschreiben und auf unsere Internetseite stellen.